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8. Hamburger Fachtagung „Schimmelpilze in Innenräumen“

Dem Schimmel auf der Spur: Neues & Bewährtes

8. November 2018
9:00 bis 17:30 Uhr
Emporio Großer Saal
Dammtorwall 15, 20355 Hamburg
Am Donnerstag, den 8. November 2018 eröffnete Staatsrat Matthias Kock die 8. Hamburger Fachtagung „Schimmelpilze in Innenräumen“, mit einem Grußwort, indem er besonders den interdisziplinären Ansatz der Hamburger Tagungen des Regionalverbands Umweltberatung Nord e.V. lobte. Gerade das Ziel, Vermieter und Mieter, also z.B. die Wohnungswirtschaft und Mietervereine gemeinsam zur Lösungsfindung zusammen zu bringen, nannte er vorbildlich. Neben Grüßen von der Schirmherrin, Wohn- und Stadtentwicklungssenatorin Dr. Dorothee Stapelfeldt überbrachte er auch Grüße des Umweltsenators Jens Kerstan, worin sich die ressortübergreifende Problematik Schimmelbildung zeigt.
Fast 200 Wohnungsverwalter, Architekten, Mediziner, Rechtsanwälte, Sachverständige, Sanierer, Berater und andere hatten sich im Großen Saal des Emporio Tower versammelt, um gemeinsam Lösungen für Schimmelbefall zu finden und zu diskutieren.

UBA-Schimmelleitfaden 2017

In dem ersten Referat stellte Dipl.-Ing. Peter Tappler aus Wien Neuerungen aus dem UBA-Schimmelleitfaden 2017 dar, an dessen Erstellung er als Mitglied der Innenraumlufthygiene-Kommission des Umweltbundesamtes mitgearbeitet hatte. Er wies darauf hin, dass der UBA-Leitfaden kein „Kochbuch“ sei, sondern durch Fachliteratur, Empfehlungen von Fachorganisationen sowie die Einschätzung und das Wissen erfahrener Fachleute ergänzt werden müsse. Der Leitfaden enthält auch Empfehlungen für das Vorgehen bei Schimmelschäden unter dem Estrich oder in anderen Hohlräumen. Neu ist insbesondere die Einteilung in verschiedene Nutzungsklassen, für die unterschiedlich hohe Anforderungen festgelegt wurden.

Feinreinigung und Dekontamination

Direkt daran schlossen sich die Ausführungen von Mike Steringer aus Epfenbach über Schimmelpilzsanierung nach den Richtlinien der DGUV-201-028 an. Er wies darauf hin, dass eine Feinreinigung bereits bei der Sanierungsplanung berücksichtigt werden sollte. Ein gutes Fachwissen ist nötig, um die Feinreinigung korrekt auszuführen, das über die Kenntnisse eines normalen Gebäudereinigers deutlich hinausgeht. Durch eine gezielte Luftführung und Unterdruck im Sanierungsbereich sollte bereits bei der Sanierung die Verteilung von Sporen und Pilzbestandteilen vermieden werden.

Holzschutzmittel

Im anschließenden Referat des Sachverständigen Ekkehard Flohr aus Dessau-Roßlau wurde das Thema Holzschutzmittel beleuchtet. Er klärte darüber auf, bei welchen Bauteilen und in welchen Gebäuden Sachverständige mit Holzschutzmitteln rechnen müssen und woran man frühere Behandlungen mit gesundheitsgefährdenden Holz- oder Brandschutzmitteln erkennt. Er erläuterte, wann Arbeitsschutzmaßnahmen nötig sind und wann eine ungewollte Kontamination von Wohnräumen verhindert werden sollte.

Optische Bau-Forensik

Fast so spannend wie beim Tatort am Sonntagabend wurde es im Referat von Prof. Andreas Rapp von der Leibniz Universität Hannover. Was vor über 100 Jahren damit begann, dass in der Kriminalistik mit speziellen Lampen Spuren von Körperflüssigkeiten sichtbar gemacht wurden, kann heute zum Aufspüren von Schimmelschäden genutzt werden. Die optische Bauforensik nutzt die Fluoreszenz von Stoffen, um Spuren zu finden, die man mit bloßem Auge nicht sehen kann. Dabei können noch einzelne Atome oder Moleküle materialspezifisch und quantifizierbar sichtbar gemacht werden.

Gesundheitsbelastungen für Kinder

Für Bewohner von feuchten oder verschimmelten Wohnungen besteht ein erhöhtes Risiko für Atemwegserkrankungen und Atemwegsinfektionen sowie für das Auftreten von Asthmaerkrankungen, stellte der Kinder- und Jugendarzt und Umweltmediziner Dr. Thomas Lob-Corzilius aus Osnabrück fest. Dabei können sowohl zur Allergie neigende als auch davon unbetroffene Menschen gesundheitlich geschädigt werden. Bei asthmakranken Kindern kann Schimmelbefall eine Verschlimmerung des Asthmas bewirken. Der dahinter stehende Mechanismus ist jedoch noch nicht geklärt. Das Wichtigste ist daher bei Schimmelbefall im Innenraum eine rasche Beseitigung. Eine Bestimmung der Schimmelpilzarten ist nur in Ausnahmefällen medizinisch sinnvoll.

Haftungsrisiken bei der Sanierung

Die Rechtsanwältin Silke Kles aus Hamburg beschäftigte sich mit Haftungsrisiken bei der Schimmelpilzsanierung. Sie stellte fest, dass der UBA-Schimmelleitfaden ebenso wie seine Vorgänger nur als Empfehlung zu verstehen und rechtlich nicht bindend ist. Allerdings kann es sein, dass Gerichte eine Begründung von Sachverständigen einfordern, wenn diese von den UBA-Empfehlungen abgewichen sind. Dies betrifft zum Beispiel Biozidbehandlungen (z.B. Vernebelung von Wirkstoffen), die das UBA nicht mehr empfiehlt. Tücken lauern außerdem in den unterschiedlich langen Verjährungsfristen zwischen Versicherungsleistungen und Bauleistungen.

Böse Überraschungen

Unter dem Motto „Geschenkt ist noch zu teuer“ stellte schließlich der Sachverständige Dirk Herberg aus Wesel den Alptraum jedes Immobilienkäufers vor. Ein freistehendes Einfamilienhaus aus dem Baujahr 1948, das 2005 umfangreich saniert und hochwertig ausgebaut worden war, erwies sich für die Käufer als finanzielle und bauliche Katastrophe. Obwohl vor dem Kauf ein Sachverständiger in einem Wertgutachten bestätigt hatte, dass keine Baumängel oder Feuchteschäden feststellbar waren, zeigten sich kurz nach dem Erwerb Bauschäden in enormem Ausmaß, die großflächige Rückbauten nötig machten.

Kurz und knapp

Durch den Tag führte in gewohnt unterhaltsamer Weise die Diplomingenieurin Brigitte Harste als Moderatorin. Sie fasste die Ergebnisse des Tages in knappen Worten folgendermaßen zusammen: Es gibt mehr Bestandsgebäude als Neubauten. Interdisziplinäres Vorgehen bei Schimmelvermeidung und –sanierung ist wichtig. Schimmelpilzmessungen sollten nicht als Gelddruckmaschine missbraucht werden – schnelles Sanieren ist wichtiger. Feinreinigung ist Facharbeit und „Wischen“ ist nicht gleich „Wischen“. Schneehäufchen und Flugschnee auf Holzbalken können verdächtig sein. Wir haben erfahren, was man sehen kann und was nicht. Aus medizinischer Sicht ist Schimmel nicht tolerierbar. Die Haftungsrisiken für Sanierer sind vielfältig und Immobilienkauf kann zum Alptraum werden. Als Dankeschön verteilte sie an die Referenten Duschhandtücher als traditionelles Trockenmittel.

Tagungsband bestellen

Die Referate sind in Kurzform in einem 100-seitigen Tagungsband zusammen gefasst, der zum Preis von 20 Euro (inkl. Versand) unter info@umweltberatung-nord.de bestellt werden kann.

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